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Warum ich nicht nach Köpenick gehe

Ich hatte eigentlich nie etwas gegen Union. Als ich Mitte der Nullerjahre nach Berlin kam, konnte ich mir aussuchen, zu welchem Verein ich gehe. Da ich gerade in Deutschland wieder mit dem Fussball versöhnt wurde, hätte ich mir Dortmund, Bayern, Gladbach und so weiter aussuchen können, aber ich war damals ja schon Berliner by Heart und kam deswegen gar nicht auf solch einen Gedanken.

Ich hegte immer eine Sympathie für den Osten. Schon seit den Neunzigern. Vielleicht weil ich nach der Wende immer in den wilderen Osten der Stadt pilgerte, bei meinem Umzug nach Berlin nach Prenzlauer Berg zog und auch weil die meisten meiner Freunde eine Ostsozialisierung hatten. Außerdem gab es im Osten den besseren Punkrock.

Ich mag es, wenn der Osten Erfolgsgeschichten schreibt, und wenn der Osten AfD wählt, dann ist mein erster Reflex immer, mich um das Image des Ostens zu sorgen.

Insofern gefiel es mir auch, dass es in Berlin diesen Ostclub gab, der sich Stück für Stück nach oben gearbeitet hatte und begann, am Oberhaus anzuklopfen. Es wäre genau meine Fußballgeschichte gewesen.

Ich bin mehrmals in der Alten Försterei gewesen. Etwa ein Dutzend Mal über die Jahre hinweg. Auch später noch, als ich bereits Herthanerforever war.

Die Male in der Alten Försterei hatte ich immer das Gefühl, irgendwie sein zu müssen. Auf eine ganz bestimmte Art zu sein, auf eine bestimmte Art zu reden, mich zu kleiden, auszusehen, mich zu verhalten. Um dazuzugehören. Ein bisschen wie in einem Dorf. Und wenn ich den ausschlaggebenden Grund nennen müsste, warum ich es in meinem katholischen Alpendörfchen nicht ausgehalten habe, dann war es, weil von mir erwartet wurde, auf eine bestimmte Art zu sein. Kleiden, reden, sein. Horror. Die Homogenität der Leute, dieses Gleichseinwollen, das war überall immer die Grundlage dafür, andere von etwas auszuschließen.

Am östlichen Ende der Wuhlheide wurde ich ganz offen darauf angesprochen, ob wir uns bei den „Scheissschwaben“ in Prenzlauer Berg langweilen, dass wir jetzt nach Köpenick kommen. Das kam ohne Vorwarnung. Wir, das waren mein argentinischer Freund und ich. Wir redeten englisch miteinander. Prenzlauer Berg war damals schon das Symbolbild für die Verdrängung des Ostens aus der Stadt. Der Spruch war nicht lustig gemeint, auch wenn die Umstehenden alle lachten. 

Und irgendwas war immer in der Alten Försterei. Ob ich in der Schlange angerempelt wurde oder sich bei der Stehstange breite Typen noch breiter vor mir aufbäumten, weil das deren Scheissstehstange war und so weiter. Diese subtilen Anfeindungen, wenn man irgendwo nicht dazugehört.

Bei Hertha ist mir immer sofort das breite Spektrum an Leuten aufgefallen. Die bulligen Rapper aus dem Märkischen Viertel, die Kuttenträger, die Papis, der schwul-lesbische Fanclub, die persischen Mommas mit den langen Fingernägeln und so könnte ich weitersingen. Bei Hertha war ich einfach immer ich: ein unrasierter Ex-Punk, der Lana del Rey hört und Gedichte schreibt. So ist das.

Unvergessen, wie ich meine Hochzeitsgäste ins Stadion schleppte. Zu einem torreichen 3:2 gegen Erzgebirge Aue. Wie sie da alle hoffnungslos overdressed zwischen den pöbelnden Leuten saßen. Das funktionierte einfach. Alle pöbelten mit.

Und dann diese Religiosität bei Union. Dieses Sendungsbewusstsein, der bessere Club als alle anderen zu sein. Und dieses Bedürfnis wahrgenommen zu werden, schaut auf uns, wir sind so toll. Und es ist immer Hertha hier und Hertha da. Dabei wird man nicht müde zu sagen, man schaue nicht auf Hertha, man schaue nur auf sich selbst. Früher war der Feind der BFC, heute die DFL, Hertha. Natürlich funktioniert diese Haltung nur, wenn man sich ins Verhältnis zu etwas setzt.

Das war schon zu Zweitligazeiten so, aber seit dem Aufstieg hat die Aggressivität eine neue Dimension erreicht. Was ich bei dem Scheissverein mache, wie kann man nur zu Hertha gehen. Ich rieb mir monatelang etwas verwundert die Augen. Ich hatte nie etwas gegen Union. Union hat mich nie besonders interessiert. Eigentlich wundere ich mich ohnehin, dass ich diesen Text verfasse.

Ich sah einst dieses Interview mit einer österreichischen Künstlerin, die aus Wien nach Berlin gezogen war. Sie sagte, sie hätte nach Paris ziehen können, aber da hätte sie in diese Stadt des fin-de-siecle-Gedöns und des Pain und des Vin ziehen und sich dem ganzen Kram anpassen müssen, oder sie hätte nach Rom ziehen können, da hätte sie in diese Stadt der Vespas und der römischen Statuen und der Ruinen ziehen müssen. Wien hasste sie wegen der ganzen KuK Sachen, die aus allen Ecken gekrochen kamen. Deshalb zog sie nach Berlin. Berlin ist einfach eine große Stadt. Sowas wie New York. Oder London. Punkt aus.

Ich konnte das so gut nachvollziehen, weil das auch immer die Magie gewesen ist, mit der Berlin mich umworben hat und gerade deshalb hat Berlin mir eine Heimat geboten, die ich vorher so nicht hatte.

Und so war Hertha auch immer für mich.

1 Comment

  1. Da ist leider schon was dran. Ich bin ein bißchen älter und nach der Wende gab es keinerlei Rivalität zwischen Union und Hertha. Ganz im Gegenteil: In unserer Kurve wurde auch immer wieder „Eisern Union“ gerufen. Für mich ist diese Einstellung so geblieben. Ich wünsche Union immer den Sieg – außer natürlich gegen Hertha.

    Aber bei nicht wenigen Unionern ist das heute im Gegenzug anders. Vielleicht sind es die jüngeren – keine Ahnung? Und vielleicht ist diese grobe Abgrenzung gegenüber Hertha für einige irgend etwas sinnstiftendes und Identität gebendes ist?!?

    Für mich fühlt sich das aber nicht echt an und ich mag es nicht. Schade…

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