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„Tatort Fußball – wie sicher sind Fans vor Übergriffen?“

Die Vollbild-Redaktion bzw. Labo M hat für den SWR eine Reportage über sexuelle Übergriffe in Bundesligastadien produziert. Darin auch eine Sequenz über das Schutzkonzept „Wo ist Lotte?“ von Hertha BSC. Über die Form und den Inhalt sind wir sehr irritiert, deshalb haben wir der Redaktion geschrieben. Da die Empörungswelle auf Social Media bereits über die betroffenen Personen rollt, haben wir uns entschieden, unsere E-Mail hier zu veröffentlichen:


Liebe Tasnim Rödder, liebe Vollbild-Redaktion,

wir haben gerade eure Reportage „Tatort Fußball – wie sicher sind Fans vor Übergriffen?“ gesehen und sind sehr erschrocken, wie das Schutzkonzept „Wo ist Lotte?“ von Hertha BSC darin vorgestellt wird.

Kurz zu uns: Wir sind AKJ, ein aktiver Hertha-Fanclub. Wir engagieren uns innerhalb und außerhalb des Stadions gegen jede Form von Diskriminierung. 3-4 unserer Mitglieder sind aktiver Teil von Lotte zu jedem Heim-Spieltag von Hertha BSC. Das heißt sie laufen ehrenamtlich mit anderen Fans und Offiziellen von Hertha BSC durchs Stadion. Sie verpassen einen Großteil des Spiels, weil wir alle daran glauben, dass das Stadion ein sicherer Ort sein sollte und sein kann.

Zu eurer Recherche. Ihr befragt verdeckt vier Ordner. Das ist die gesamte Recherche. Die Audioaufnahme ist davon wahrscheinlich so schlecht, dass die Antworten als Gedächtnisprotokoll (!) nachgesprochen werden. Und so zum Beispiel nicht mehr nachvollzogen werden kann, ob der Lärm im Stadion vielleicht auch einfach so stark war, dass man euch gar nicht richtig verstehen konnte. Die Antwort „Toilette“ ist ein Hinweis darauf, dass ihr vielleicht akustisch nicht verstanden wurdet. Es klingt wie „Lotte.“

Ihr sprecht nicht mit den Fans (wie wir) die bei Lotte laufen, ihr sprecht nicht mit den Ordnern, ihr sprecht nicht mit Betroffenen, denen wir helfen konnten. Ihr habt keine Zahlen, wie oft das vorkommt. Ihr wißt nichts über das Konzept. Aber ihr habt die Kamera bei den Aufnahmen so verwackelt, dass es wirkt, als wärt ihr gerade Schwerverbrechern auf der Spur und nicht Menschen, die versuchen anderen Menschen zu helfen.

Wir wissen, wie euer Geschäft funktioniert. Dass man nicht immer die Zeit hat, die man gerne hätte, und dass man im Format auch Sachen weglassen muss. Was dagegen wirklich schwer wiegt, ist, wie ihr Saskia, die Beauftragte des Schutzkonzeptes Lotte bei Hertha, portraitiert und wie das unsere Arbeit in Zukunft eher erschweren wird.

Ohne Saskia gäbe es Lotte nicht. Sie hat das mit unglaublich viel Energie weit über den Maßen, die man von jemandem in einem Angestelltenverhältnis erwarten würde, umgesetzt. Und Konzept ist hier nicht nur ein Label. Alleine die Tatsache, dass die ständig wechselnden Security-Mitarbeitenden vor jedem Spiel ein Briefing und die Taschenkarten bekommen, zeigt, wie klar uns ist, dass das eine Schwachstelle ist und gleichzeitig wie sehr das alles durchgeplant ist. Auch deshalb laufen wir unterstützend mit unseren „Wo ist Lotte?“-Westen durch das Stadion. Im Beitrag erfährt man das alles nicht. Saskia diese Frage, warum die Security-Leute ihren Job nicht gemacht haben, wieder und wieder zu stellen, als ob ihr da irgendeinem Scoop auf die Schliche gekommen wärt, ist schlicht unlauter. 

Dazu dann aus dem Zusammenhang das Zitat: „[…] wir können das auch nicht, das muss man so klar sagen, diese Übergriffe zu verhindern […]“ – Das klingt erstmal hart. Man muss das schon zwei Mal schauen, um zu verstehen, wie es gemeint ist. Was Saskia beschreibt ist die Realität. Menschen werden belästigt und diskriminiert. Ordner, Verantwortliche und Freiwillige können das in einem riesigen Stadion mit 74.000 Menschen nicht verhindern. Aber das heißt doch nicht, dass wir nicht versuchen da zu sein, für die Betroffenen. Dass wir nicht aufklären und natürlich einschreiten, wenn wir Zeugen einer Diskriminierung werden.

Genau dieses eine Zitat hat jetzt Team Recherche genommen und in ein kurzes Insta-Video gepackt. Dazu Saskias Foto auf dem Vorschaubild. Und diese Verkürzung, die bereits in eurem Beitrag nicht funktioniert hat, scheitert hier erst Recht. Die Konsequenz: Saskia wird persönlich angegangen, wieso sie sowas sagen kann, wieso sie nichts unternimmt. Genau die Person ohne die es das Schutzkonzept gar nicht geben würde!

Anfragen, ob das korrigiert werden kann, lehnt Team Recherche ab und verweist auf die Vollbild-Redaktion.

Was bei den Leuten, die nur das Insta-Video sehen hängen bleibt: Bei Hertha wird dir nicht geholfen und diese eine Verantwortliche sagt sogar, dass die dir gar nicht helfen wollen. Das ist ein Schlag ins Gesicht unserer aller Arbeit. Ich kann mir nur schwer vorstellen, was ihr euch dabei gedacht habt, das so zu drehen, so zu skripten und so zu schneiden. Ihr habt „Wo ist Lotte?“ mit der Reportage einen Bärendienst erwiesen. Ihr habt unseren ehrenamtlichen Job schwerer gemacht und den Ärger, den Saskia gerade hat, den mag ich mir nicht vorstellen.

Nico

Co-Vorsitzender der AKJ

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