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Frauenfußball bei Hertha – wann kommt er zurück?

Im Buch „111 Gründe, Hertha BSC zu lieben“ aus dem Jahr 2013 (1) wird als Grund 78 die Kooperation mit dem 1. FC Lübars aufgeführt, die von 2009 – 2016 mehr oder weniger erfolgreich ausgefallen ist. (2) Im Jahr 2015 wurde das Team Zweitligameister, verzichtete jedoch aus finanziellen Gründen auf den Aufstieg. (3) (4) Ein Jahr später beendete Hertha die Zusammenarbeit. (5) Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Buches war das Ende der Kooperation jedoch noch nicht absehbar.

Aber von vorne. Und etwas Grundsätzliches. Unser Verein heißt Hertha – sein (bzw. ihr) Spitzname ist „Alte Dame“. Und wir bekommen es in unserer 130-jährigen Geschichte nicht hin, eine eigene Frauenabteilung zu gründen? Nicht ganz. Auf der Homepage finden sich einige Zeilen zu einem Frauenteam aus dem Jahr 1921. (6) Auf dem Twitteraccount vom Hertha-Museum finden sich Tweets zur (erneuten) konstituierenden Sitzung am 20.07.1978 sowie der Hinweis, dass das Team 10 Jahre existierte. Aber das war es dann auch.

Vier Jahrzehnte später, am 30. Juni 2020 dann die Nachricht: „Hertha BSC kooperiert mit dem 1. FFC Turbine Potsdam“, in der es heißt „Die Kooperation ist ein weiterer Baustein des CSR-Engagements (7) von Hertha BSC, bei dem stets die Vereinswerte Vielfalt und Fortschritt im Mittelpunkt stehen.“ (8) Auf deutsch: Hertha gibt Turbine Geld und darf sich ein Bienchen für gutes Benehmen ins Heft kleben. Inhaltlich kann und will ich diese Kooperation nicht kritisieren – Turbine ist DER Traditionsverein in der Frauen-Bundesliga. Ihre Spiele haben durchschnittlich 1.204 Zuschauer:innen in der abgelaufenen Saison im Karl-Liebknecht-Stadion verfolgt – die Spiele der TSG aus Hoffenheim im – KEIN SCHERZ – Dietmar-Hopp-Stadion verfolgten durchschnittlich 626 Zuschauer:innen. (9)

Apropos scheiß Retortenvereine: RB Leipzig hat dieses Jahr den (durch den sächsischen Fußballverband verordneten) (10) Aufstieg in die 1. Bundesliga knapp verpasst. Nächstes Jahr wird sich die sogenannte Erfolgsgeschichte der Herren dann wohl wiederholen und RB dank unendlicher finanzieller Möglichkeiten sehr wahrscheinlich in die Bundesliga aufsteigen.

Mit Blick auf die Abschlusstabelle der Saison 21/22(11) lässt sich im Frauenfußball – anscheinend – feststellen: Geld schießt Tore. Während Turbine mit seinem 1,7 Mio. Euro Budget (für den gesamten Verein!) (12) die Champions-League-Qualifikation verpasst hat, sicherte sich der VfL aus Wolfsburg die 7. Meisterschaft in 10 Jahren. Die anderen drei Jahre gewann der FC Bayern München die Meisterschaft. Was die Teams verbindet? Ein doppelt so hohes Budget – allein nur für die Frauenabteilung (13). Die drei letzten Tabellenplätze belegte die SGS Essen, der SC Sand und Carl Zeiss Jena – und somit 3/4 Vereine, die keine Querfinanzierung aus der Herren-Bundesliga bekommen. Mal gucken, wie lange Turbine mithalten kann – auch der BVB ist schon auf dem Weg Richtung Bundesliga. (14)

Und Hertha?

Zur nächsten ordentlichen Mitgliederversammlung (Herbst/Winter 2022) soll nun ein Antrag eingebracht werden, in dem Hertha aufgefordert wird, eine Frauenabteilung zu gründen.

Über das Für und Wider einer Professionalisierung (Aufstieg 1./2. Bundesliga) werden wir bis dahin intern diskutieren. Aus meiner höchstpersönlichen Sicht ist der Zug Frauen-Bundesliga für Hertha abgefahren, wenn man nicht in einen Topf mit RBL und der TSG geschmissen werden will.

Im Antrag (-sentwurf) heißt es nun, dass „unser Verein alle Voraussetzungen [schafft], um Frauen / Mädchen … ein kontinuierliches Training … anzubieten und … im Rahmen des BFV-Spielbetriebs als “Hertha BSC” teil[zu]nehmen“. Die Begründung sollte jeder und jedem klar sein: Fußball ist für alle da! Hertha ist für alle da! – dafür braucht es kein CSR-Label,  es soll darum gehen, alle Sportler:innen im Verein zu integrieren.

Dass Hertha kein klassischer Verein ist, in dem jede:r mitspielen kann, ist bekannt. Es geht um die 1. (!) Bundesliga und die Ausbildung von Jugendlichen und Kindern in der Akademie. Berlin hat schon viele tolle Kiezvereine mit Frauenabteilungen, die von klein auf Mädchen fördern. Doch wie stolz wären wohl (vor allem kleine) Herthafans, wenn sie mit der blau-weißen Fahne auf dem Trikot nicht nur Woche für Woche ins Stadion rennen, sondern unser Verein ihnen selbst ein Training anbietet und im Spielbetrieb viele Stunden voller Freude beschert und sie unsere Fahne auf IHREM Trikot auch auf dem Rasen tragen könnten.

Doch das geht dann nur gemeinsam: am Verein angesiedelt, sollen auch die Vereinsmitglieder mitwirken – jede helfende Hand wird benötigt, egal ob als Trainer:in, Zeugwart:in, Physiotherapeut:in und natürlich „vom lokalen Unternehmen, welches das Team sponsert, bis zum Kuchenbasar durch Verwandte. Sonntägliche Auswärtsfahrten nach JWD verstehen sich von selbst“.

Doch wie geht’s jetzt weiter?

Wir diskutieren erstmal in kleiner Gruppe, was wir wollen (also Profiteam ja/nein). Dann suchen wir das Gespräch mit den Verantwortlichen im Verein (vielleicht ist der Antrag ja hinfällig, wenn es eine Selbstverpflichtung vom Verein gibt). Und dann geht’s so richtig los – egal ob wir erstmal mit einer F-Jugend den Trainingsbetrieb starten oder wir uns gleich in der Bezirksliga mit Türkiyemspor II und Viktoria Mitte II messen können. (15)

Und irgendwann wird ein Team voller leidenschaftlicher Herthanerinnen auf dem Platz stehen und kurz vor Anpfiff erklingt ein lautes „HA HO HE HERTHA BSC“ von den Spielerinnen und wir haben einen 112. Grund, um Hertha zu lieben.

Timm Buchholz

(Quelle Headerbild: Hertha BSC Museum 1892
Originalausgabe: Ha-Ho-He HerthaBSC-Information, Nummer 4, 1978/1979)

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Update 25.7.2022: Antragsentwurf

Antrag

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Update 28.7.2022: FAQs

FAQ Hertha-Frauen

  1. Wer seid ihr?

Wir sind ein Zusammenschluss von Herthafans, hauptsächlich vom OFC “Axel Kruse Jugend”.

  1. Was wollt ihr? Und warum?

Wir wollen Frauen/Mädchen die Chance geben, bei Hertha zu spielen, damit möglichst auch Frauen bei Hertha eine aktive Fußballheimat finden – neben dem Fan-sein.

  1. Was habt ihr bisher gemacht?

Wir hatten einige interne Runden, haben einen Antragsentwurf sowie Blogartikel geschrieben und haben dem Präsidium einen Brief geschrieben.

  1. Warum wollt ihr erst jetzt was machen?

Auf vielen Mitgliederversammlungen wurde das Thema “Frauenfußball bei Hertha” angesprochen – wir haben darauf reagiert (besser spät als nie) und wollen konkret etwas machen.

  1. Warum wollt ihr eine Frauenabteilung? Zerstört ihr dadurch nicht die Kiezvereine?

Wir wollen das Angebot in Berlin erweitern, sodass weibliche Herthafans mit unserem Trikot Fußball spielen können. Ob ein Frauenteam und/oder Juniorinnen- oder Mädchenfußball: das sind Fragen, die wir im laufenden Prozess klären müssen.

  1. Hertha ist ein Bundesligaverein – warum definiert ihr als Ziel nicht die Bundesliga?

Wir wollen ein organisches Wachstum und nach und nach ein Fazit ziehen, wie hoch die Frauenteams spielen (wollen). Wir schließen keine Teilnahme am Profibetrieb aus, treiben ihn aber auch nicht mit allen (finanziellen) Mitteln voran.

  1. Warum reicht die Kooperation mit Turbine nicht?

Weil wir ein eigenständiger Verein mit vielen verschiedenen Abteilungen und Sportarten sind und jetzt Frauen die Möglichkeit geben wollen, mit unserer Fahne auf dem Trikot zu spielen.

  1. Werden Traditionsvereine wie Turbine dadurch nicht zerstört?

Wie schon unter 6. beschrieben: wir wollen organisch wachsen und keine Lizenzen kaufen oder uns künstlich mit viel Geld hochschießen. Dass der Frauenfußball in den letzten Jahren auch die Geldspirale nach oben gedreht hat und Vereine wie Turbine, Meppen, Essen und Duisburg (alle genannten besitzen keine Männermannschaft in der 1. Bundesliga) es schwer haben werden, ist uns dabei bewusst.

  1. Was soll das alles kosten? Muss Hertha kein Geld sparen für die Bundesliga?

Herthas Bundesligateam (sowie die U23, U19?, U17?) sind in der KGaA ausgegliedert und haben nichts mit der klassischen Vereinsarbeit zu tun. Fußballerinnen würden einen Mitgliedsbeitrag (derzeit 120 Euro im Jahr) zahlen. Bei einem 20er-Frauenteam wären das 2.400 Euro im Jahr, wo für Trainings- und Spielbetrieb (ohne Sponsoren) 200 Euro im Monat zur Verfügung stehen würden.

Wir ermuntern alle Fans die Frauenabteilung beim Trainings- und Spielbetrieb zu fördern: egal ob als Trainer*in, Zeugwart*in, Physiotherapeut*in oder als Fan am Spielfeldrand. Regionale Sponsoren sind dann natürlich auch willkommen. Ob es darüber hinaus Fördermitgliedschaften (o. ä.) geben wird, müssen wir mit den Vereinsverantwortlichen klären.

  1. Das Olympiagelände ist voll – wann und wo wollt ihr trainieren/spielen?

Laut offiziellen Aussagen sind alle Plätze belegt. Die Realität sieht jedoch anders aus: oftmals sind Plätze an Nachmittagen und Abenden frei. Pro Team (je nach Alter) sollte sich also schon ein Viertel- oder Halbfeld finden lassen. Des Weiteren ist Hertha ein Verein für ganz Berlin: warum sollten wir nicht auch zentral in der Stadt ein Training anbieten können?

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Update 14.11.2022 (nach der Hertha MV):

Es ist vollbracht! bzw. Jetzt beginnt die Arbeit!

Nach vielen internen Gesprächen, unserer Banneraktion in der Ostkurve BILD EINFÜGEN beim Spiel gegen die Bayern sowie der Flyerverteilung gegen Bayern und Köln war es am 13. November endlich so weit: die #HerthaMV sollte der vorerst finale Schritt sein, um unsere Ideen zur Gründung eines Frauenteams mit allen Hertha-Mitgliedern zu diskutieren und letztendlich dem Präsidium formal den Arbeitsauftrag zu geben, zur Saison 2023/2024 Fußball auch für Frauen bei Hertha anzubieten.
Mit überwältigender Mehrheit wurde unser Antrag auf der Mitgliederversammlung angenommen.


Gefühlt 98 % der noch anwesenden Mitglieder haben dem Antrag, nach kurzen Rückfragen, zugestimmt. Das sehen wir als großen Erfolg an, auch wenn wir einige Mitglieder noch überzeugen müssen, dass sowohl Frauenfußball als auch unser beschlossener Weg der richtige für Hertha ist.
Kay Bernstein sowie viele Teile vom Präsidium hatten den Tag über schon oft gesagt, dass der Frauenfußball bei Hertha stattfinden soll und wird (Kay Bernstein: „Es ist jetzt Zeit, mit dem Frauenfußball durchzustarten und nicht die Fehler anderer Vereine zu machen.“). Gestärkt durch diese Aussagen ging Inis auf die Bühne und präsentierte unsere Ideen. Highlight war die Visualisierung, wie viele Frauen bzw. Väter und Großväter von Mädchen im Raum waren und in Zukunft die Möglichkeit haben, dass sie bzw. ihre Töchter und Enkelinnen bei Hertha zu spielen.
Mit diesem Beschluss und der Zusage von Hertha geht es nun an die Arbeit (die Hertha schon frühzeitig geleistet hatte), unsere Ideen und die von Hertha auf einen Nenner zu bringen, um bald den Trainings- und Spielbetrieb zu starten.

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